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5G: Bald auch für Blaulichtorganisationen unverzichtbar

13. September 2022

In einer Notsituation zählt jede Sekunde. Ob Polizei, Feuerwehr oder Sanität: Für sie alle sind sichere und moderne Kommunikationslösungen im Einsatz absolut entscheidend. Der Bund plant darum, ein schweizweites, hochverfügbares Mobilfunknetz für Notfallorganisationen aufzubauen. 5G wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Theo Flacher von Schutz & Rettung Zürich zeigt im Interview die Sicht der Blaulichtorganisationen und die Dringlichkeit des Projekts auf.

Die Zahl der Notrufe steigt seit Jahren: Im Jahr 2021 wurden 2’746’702 Notrufe registriert, was 7'525 pro Tag entspricht! Fortlaufend melden Rettungsdienste aus der ganzen Schweiz Rekordeinsatzzahlen. Auch der Blick auf die Schweizer Risikolandkarte zeigt, dass die Schweiz von zahlreichen Risiken mit hohem Schadenspotenzial bedroht ist. Nebst bekannten Gefahren wie Überschwemmungen, Stürme und Hitzewellen sorgen Bedrohungen wie Cyberattacken und die geopolitische Lage dafür, dass die Sicherheitslage zusätzlich labiler wird.

Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit (BORS) sind zunehmend gefordert. Dabei ist eine moderne und stabile mobile Kommunikationsinfrastruktur für sie ein wichtiger Erfolgsfaktor im Einsatz, sowohl im Alltag wie auch bei ausserordentlichen Ereignissen.

Ein einheitliches System, das die mobile breitbandige Sicherheitskommunikation in allen Lagen garantiert, fehlt jedoch in der Schweiz immer noch. Die aktuellen Pläne des Bundes für ein mobiles breitbandiges Sicherheitskommunikationssystem (MSK) dürften in Zukunft auf die aktuelle 5G-Technologie setzen. Der heutige Mobilfunkstandard weist wichtige Eigenschaften wie hohe Bandbreiten, tiefe Latenzen oder virtuell abgetrennte Netze für die Blaulichtorganisationen aus, welche den Einsatzkräften neue Möglichkeiten eröffnet. 

 


Theo Flacher leitet seit 2011 den Bereich Einsatz & Prävention von Schutz & Rettung Zürich, welche Feuerwehr, Sanität, Zivilschutz, Einsatzleitzentrale und Feuerpolizei der Stadt vereinigt. Es handelt sich dabei um die grösste zivile Rettungsorganisation der Schweiz. In seiner Funktion ist Theo Flacher zuständig für die Feuerpolizei, den Betrieb der Einsatzleitzentrale sowie Einsatzkonzepte bei Grossveranstaltungen und ausserordentlichen Ereignissen. 


Dieses Interview ist erstmalig im Ericsson Connected erschienen. 

Wie haben sich die Gefahren und Bedrohungen in der Schweiz sowie die Einsätze in den letzten Jahren verändert?
Bei der Feuerwehr geht der Trend seit Jahren in Richtung von allgemeinen Rettungseinsätzen, technischen Hilfeleistungen und vor allem auch der Bekämpfung von Unwetterereignissen. Brandeinsätze als eigentliches Kerngeschäft der Feuerwehr sind konstant oder stagnieren sogar leicht. Im Rettungswesen hingegen steigen die Einsatzzahlen seit Jahren. Die Veränderungen der Gesellschaft wie das Freizeitverhalten und die demographische Entwicklung mit vielen älteren Menschen führen dazu, dass der Rettungsdienst rund um die Uhr stark gefordert wird. Unsere Einsatzleitzentrale verzeichnete in den letzten fünf Jahren eine Zunahme von 14 Prozent bei den Notrufen 144 (Sanität) und 118 (Feuerwehr).

Inwiefern ist Konnektivität für die BORS wichtig?
Mobile Kommunikation ist absolut entscheidend! Zum einen werden rund 75 Prozent aller Notrufe über Mobiltelefone abgewickelt. Die Tendenz ist weiter steigend. Zum anderen übermitteln wir alle Einsatzdaten ausschliesslich über die Mobilfunknetze der bekannten privaten Telekommunikationsanbieterinnen und sind deshalb stark auf diese angewiesen. Hintergrund ist, dass das heutige Sicherheitsfunknetz der öffentlichen Hand, das sogenannte «Polycom», nur für die Sprach-Kommunikation eingesetzt werden kann und damit keine breitbandigen Daten übermittelt werden können. Dazu nur ein Beispiel: Bei dringlichen Einsätzen wie einem Herzkreislaufstillstand wird nach der sogenannten Next-Best-Strategie verfahren. In diesen Fällen wird dasjenige Einsatzmittel, sei es Rettungswagen, Rettungshelikopter oder Notarzt, an den Einsatzort entsendet, welches aufgrund des aktuellen Standortes, des geplanten Routings, der Bemessung der Ausrückzeit und der aktuellen Verkehrssituation am schnellsten beim Patienten eintreffen kann – unabhängig von Zuständigkeit oder Zugehörigkeit. Es gibt nur ein Ziel: Dem Patienten schnellstmöglich Hilfe zukommen lassen. Alle diese Daten werden ausschliesslich über Mobilfunk übermittelt. 

Wie gut sind die Schweizer BORS im Bereich Kommunikationssysteme ausgerüstet?
Hier besteht deutlich Luft nach oben. Im Bereich der Sprachkommunikation basieren die BORS auf dem erwähnten Polycom-System. Dieses System, welches mit einer 17-jährigen Aufbauphase seit 2015 schweizweit in Betrieb ist, basiert im Kern immer noch auf den damaligen Anforderungen für ein einheitliches Sprach-Funknetz. So haben wir zwar ein gehärtetes Sprachkommunikationssystem, sind beim mobilen Datenverkehr aber ausschliesslich auf die Mobilfunkprovider angewiesen. Das entspricht nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen der BORS. Oder können Sie sich nur schon im privaten Umfeld vorstellen, ein Mobiltelefon zu verwenden, welches nur über die Funktionen eines Mobiltelefons aus dem Jahr 2000 verfügt? 

Der Bund plant, Polycom mit einem mobilen breitbandigen Sicherheitskommunikationssystem (MSK) abzulösen. Was erhoffen Sie sich davon?
Dieser Schritt ist dringend notwendig und aus meiner Sicht schon mehr als überfällig. Wir rechnen bei einem «Go» für ein MSK mit einer Zeitdauer von rund acht Jahren, bis die Realisierung erfolgt ist. Wenn wir nun davon ausgehen, dass Polycom spätestens 2035 ausser Betrieb gehen wird und aktuell die Vorbereitungen für die politischen Entscheide zu Gunsten MSK noch nicht vorliegen, dann wird das mehr als knapp werden. Zudem besteht die Gefahr, dass einzelne Städte oder Kantone aufgrund ihrer spezifischen Situation vorpreschen und ihre eigene Lösung realisieren. Auch für die Stadt Zürich mit ihren Grossanlässen ist der Handlungsdruck in diesem Bereich hoch und eine schnelle Realisierung drängt. Einen solchen Flickenteppich gilt es zu verhindern, da verschiedene Systeme im Anschluss zu koordinieren und wieder unter ein Dach zu bringen sehr schwierig werden dürfte. Ich sehe Chancen bei einer engen Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Mobilfunkbetreibern und den Nutzern, damit Synergien genutzt werden können. Die Zeit von spezifisch für die Notfallorganisationen entwickelten Kommunikationssystemen ist vorbei. 

Welche digitale Anwendung hat Sie als Privatperson als letztes verblüfft?
Ich staune immer wieder über die Konnektivität von Smartphone und Auto. Wenn ich etwas in Google Maps auf dem Handy betrachtet habe, weiss das mein Fahrzeug schon beim Einsteigen. Das ist sehr nützlich bei einer Einsatzfahrt.


Weiterführende Informationen:

 

 

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