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5G als besondere Chance für das Tessin

18. Januar 2022

CHANCE5G hat schweizweit fünf Stützpunkte, die sich in ihren Regionen für 5G einsetzen und den faktenbasierten Dialog pflegen. In einer Interviewserie erklären die verschiedenen Vertreter, wie die Situation um 5G in ihren Regionen aussieht, wo die Knacknüsse liegen und welche Schwerpunkte sie setzen. Stützpunktleiter Angelo Geninazzi gibt Auskunft zur Region Tessin.

Wie ist die aktuelle Situation bezüglich Mobilfunkabdeckung und 5G-Ausbau in Ihrer Region?

Die Situation im Tessin ist zurzeit zwar nicht dramatisch, doch als optimal würde ich sie zurzeit nicht bezeichnen. Der 5G-Ausbau schreitet nur langsam voran. Das liegt am Einsprache- und Beschwerderecht, womit kleine Randgruppe in Gemeinden Baugesuche bekämpfen können. 5G-Antennen können somit nur dann errichtet werden, wenn ein Gericht die Genehmigung erteilt. Die sich abzeichnenden Verzögerungen im 5G-Ausbau werden im Tessin immer beunruhigender. 
Im Tessin gibt es nur wenige Beispiele, bei denen nicht eine kleine Randgruppe eine Antenne bekämpft. Meist werden solche Gruppen solidarisch von Nachbarn, Verwandten, Freunden oder Nachbarschaftsvereinen unterstützt. Ich bin mir jedoch absolut sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung nichts gegen 5G hat, sie sich jedoch an der Standortwahl stören. 

Wie nehmen Sie die Debatte über 5G im Tessin wahr?  
Die Diskussion ist pointiert und abhängig von den Baugesuchen. Gegengruppierungen bedienen sich systematisch den Medien, um ihren Standpunkt publik zu machen. Dieses Vorgehen verhindert eine ausgewogene und faktenorientierte Debatte über 5G.

Welche Unsicherheiten gibt es im Tessin in Bezug auf 5G, und mit welchen Vorurteilen möchten Sie aufräumen? 
Im Tessin gleichen die Argumente der 5G-Gegner denen aus dem Rest der Schweiz. Oft verweisen Kritiker auf eine ungenügende Studienlage. Sie sind der festen Überzeugung, dass es keine Studien gibt, die die Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier ausschliessen. Gleichzeitig stelle ich im Gespräch mit 5G-Skeptikern fest, dass sie noch nicht sonderlich viel über 5G wissen. Diese Tatsache stimmt mich positiv, denn es gibt viele Argumente, die für 5G sprechen. Ein Argument ist die Reduktion der Strahlenbelastung. Bisherige Antennen strahlen ihre elektromagnetischen Felder in alle Richtungen gleichzeitig. Mit 5G können die Signale erstmals genau dorthin gesendet werden, wo sie auch benötigt werden. Damit sinkt die Belastung, wenn die Geräte nicht im Einsatz sind. Das ist eines von vielen Argumenten, das viele überzeugt. 

Weshalb engagieren sich nicht mehr Befürworter aus dem Tessin für 5G? 
Es ist immer einfacher gegen etwas als für etwas zu sein. In den letzten Monaten habe ich niemanden auf der Strasse gesehen, der für Massnahmen zur Eindämmung von COVID-19 demonstriert hat, obwohl eine klare Mehrheit sie wahrscheinlich unterstützt. 

Im Zusammenhang mit 5G gibt es jedoch noch ein weiteres Problem: vielen ist nicht bewusst, dass es ohne einen 5G-Ausbau innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens zu Problemen bei der Netzstabilität kommt und Funklöcher und Datenstaus die Folge sind. Bislang war das für viele noch nicht spürbar, weshalb es für viele 5G-Befürworter noch kein Problem darstellt. 

Was muss im Tessin getan werden, um die Einführung von 5G voranzutreiben? 
Der Unterschied zwischen 5G und 4G muss stärker diskutiert und erörtert werden. Der Fortschritt in der Mobiltelefonie hat die Lebensqualität stets verbessert – nie verschlechtert. Es ist wichtig, Gesundheitsfragen direkt anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass die neue Mobilfunktechnologie sogar die individuelle Exposition verringert und eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten zum Schutz der Umwelt und der Lebensqualität bietet. Wie bereits erwähnt, ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht dagegen, aber um bei der Einführung voranzukommen, müssen alle in den Dialog mit einbezogen werden. Ausserdem müssen die Standorte für die neuen Antennen sorgfältig ausgewählt werden, wobei die Optik zu berücksichtigen ist. 

Weshalb braucht es für die Region Tessin einen Ausbau auf 5G und wie wird die Region von der neuen Mobilfunktechnologie profitieren?
Dafür gibt es viele Gründe, angefangen bei der geografischen Beschaffenheit des Tessins: Die zahlreichen Täler und abgelegenen Gebiete leiden seit Jahren unter den Auswirkungen der Abwanderung. Das Aufkommen neuer Arbeitsmodelle und die Verfügbarkeit von 5G würden es ermöglichen, dieses Phänomen zu bekämpfen. Zudem würde es solchen Randregionen, die die Vorteile der Glasfaser nicht nutzen können, einen neuen Impuls geben. Das Tessin würde auch in der Industrie und der Landwirtschaft von der neuen Technologie profitieren. Das sind zwei Bereiche, in denen 5G ein enormes Potenzial bietet. Nur wenige Regionen in der Schweiz sind so "fit" für die Nutzung der neuen Technologie wie das Tessin. 

Welche Rolle nehmen die Gemeinden bei der Einführung von 5G ein und wie können sie unterstützt werden? 

Die Rolle der Gemeinden ist ebenso grundlegend wie auch schwierig. Sie sind die ersten, die der Kritik und dem Druck von Gegnern ausgesetzt sind. Zudem sind sie die erste Instanz für die Genehmigung von Baugesuchen. Im Tessin bewältigen diese Situation nicht alle Gemeinden optimal. Man sollte Gemeinden bei der Einführung von 5G unterstützen. Es ist wichtig, dass sie die richtigen Informationen zur Verfügung haben und sie über alles Bescheid wissen, was mit der Installation einer neuen Antenne verbunden ist. Ausserdem muss ihnen glaubwürdig und aufrichtig erklärt werden, weshalb eine enge Zusammenarbeit mit Betreibern notwendig ist. Nur so kann der Bedarf und die Dringlichkeit von neuen Lösungen vermittelt werden. Das liegt auch im Interesse der Gemeinden. 

Wie steht der Kanton Tessin zu 5G und inwiefern fördert der Kanton den Ausbau?
Kürzlich wurde eine Reihe von parlamentarischen Vorstössen – darunter eine kantonale Initiative –, die ein 5G-Moratorium vorsahen, im Grossen Rat vom Kanton Tessin abgelehnt. Dies ist ein erfreuliches Ergebnis. Gleichzeitig wurde jedoch auch ein Antrag abgelehnt, der günstigere Rahmenbedingungen für die neue Technologie forderte. Die Haltung des Parlaments spiegelt die Haltung des Staatsrats wider. 5G ist zurzeit nur ein Thema unter vielen. Das Thema wird behandelt, jedoch nicht mit der erforderlichen Priorität. Mit anderen Worten: es handelt sich eher um eine Verfahrensfrage als um eine politische Frage. 

Was sind die aktuellen Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit als Stützpunktleiter?
Als Stützpunktleiter suche ich den Dialog mit Akteuren, die am Baugenehmigungsverfahren beteiligt sind. Momentan stehe ich im engen Austausch mit Gemeinden und technischen Ämtern. Gemeinsam versuchen wir, Wissen über den Mobilfunk und die neuste Mobilfunkgeneration 5G zu bündeln, um den alles andere als einfachen Prozess der Beantragung und Erteilung von Baugenehmigungen zu vereinfachen. Es ist eine Reihe von Massnahmen geplant, um Informationen über 5G zu sammeln und Sicherheit in diesen Prozess zu bringen. Wir sind gespannt auf ihre Wirkung. 

Was wünschen Sie sich für Ihre Region?
Eine sachlichere Diskussion, die auf Fakten basiert. Führen das Tessin diesen Dialog nicht, riskieren wir zusätzliche Verzögerungen, die wir später teuer bezahlen werden. Für die Region Tessin ist 5G eine Gelegenheit, von der die Region als Ganzes profitiert. 

 

Zur Person
Angelo Geninazzi ist Stützpunktleiter von CHANCE5G in der Region Tessin. Als Gemeindepräsident von Melide/TI kennt er die Schwierigkeiten, mit welchen Gemeinden bei der Einführung von 5G zu kämpfen haben. Deshalb sucht Angelo Geninazzi den Dialog mit Gemeinden und technischen Ämtern und unterstützt sie bei der aktiven Kommunikation über 5G.

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