Bundesgerichtsurteil wirft den 5G-Ausbau zurück
Gemäss einem aktuellen Gerichtsurteil muss künftig zur Aktivierung des Korrekturfaktors bei adaptiven Antennen ein ordentliches Baugesuch eingereicht werden. Obwohl sämtliche Vorgaben jederzeit eingehalten wurden, sind nun Tausende bestehender Anlagen von einem juristischen Formfehler betroffen. Die Mobilfunkversorgung mit einer effizienten und zeitgemässen Technologie wird in der Schweiz weiter stark verzögert.
Jede Mobilfunk-Antenne muss kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht werden, denn die technologische Entwicklung bei der Telekommunikation läuft rasend schnell. Eine fortlaufende Modernisierung der Datennetze ist unabdingbar, um einerseits die zunehmenden Datenmengen weiterhin einwandfrei zu bewältigen und andererseits die Effizienz und Zuverlässigkeit dieser kritischen Basisinfrastruktur sicherzustellen zu können. Für den aktuellen 5G-Standard kommen moderne adaptive Antennen zum Einsatz. Diese sind im Gegensatz zu älteren Antennen (z.B. 3G und 4G) in der Lage, die Signale gezielt in Richtung der einzelnen Endgeräte zu senden. Dies reduziert den Energieverbrauch stark und vermindert die Strahlenbelastung für Nichtnutzer und Nichtnutzerinnen. Weil diese weiterentwickelten Antennen mit den bisherigen Bewertungsmethoden benachteiligt würden, kann zum Ausgleich ein Korrekturfaktor (siehe Infobox) angewendet werden. Alle Vorteile der adaptiven Antennen kommen nur mit dem Korrekturfaktor voll zum Tragen. Der Korrekturfaktor wird per Software aktiviert.
Bisher gab es laut den Empfehlungen der Schweizerischen Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK) der Kantone zwei Optionen, um die Modernisierung an bestehenden Standorten der Antennen voranzutreiben: Option 1 ist die weniger fortschrittliche Option, und verlangt bei einer Modernisierung, bei der eine adaptive Antenne zum Einsatz kommt, ein volles Baugesuch. Option 2 geht darüber hinaus und ermöglicht den Ausbau der Netze mit adaptiven Antennen unter Einhaltung des Vorsorgeprinzips ohne ein erneutes, ordentliches Baubewilligungsverfahren. Das ist ein sogenanntes Bagatell- resp. Meldeverfahren.
Nun soll diese etablierte Praxis aber nicht mehr gelten: Laut einem aktuellen Bundesgerichtsurteil war die Modernisierung dreier Antennenstandorte in Wil, Kanton St. Gallen, nicht rechtens, weil das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt worden sei, wenn kein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchlaufen wurde. Das Bundesgericht hält im jüngsten Entscheid fest, dass die erstmalige Anwendung eines Korrekturfaktors bei adaptiven Antennen ein solches erfordere.
Vorgaben immer eingehalten
Der Branchenverband asut weist darauf hin, dass sich die Mobilfunkbetreiber bei der Anwendung des Korrekturfaktors stets an sämtliche geltenden Vorgaben des Bundes und der Kantone gehalten haben. Demnach galt und gilt die Anwendung des Korrekturfaktors bei adaptiven Antennen nicht als Änderung einer Anlage. Die Mobilfunkbetreiber waren lediglich verpflichtet, der zuständigen Behörde aus Gründen der Nachvollziehbarkeit ein aktualisiertes Standortdatenblatt einzureichen. Dies hat der Mobilfunkbetreiber im beurteilten Fall auch getan.
Ein Entscheid gegen den politischen Willen
Der Entscheid des Bundesgerichtes richtet sich daher nicht gegen das Vorgehen der Mobilfunkbetreiber. Vielmehr klärt das Bundesgericht juristisch die Frage, ob die Bestimmungen in der NISV (Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung) und die Vorgaben in der Vollzugsempfehlung zur NISV ausreichen, um den Korrekturfaktor ohne die Durchführung eines (erneuten) ordentlichen Bewilligungsverfahrens anzuwenden. Der Entscheid des Bundesgerichtes wird zu einer weiteren Flut an Baubewilligungsverfahren, einer Verschärfung des bereits bestehenden Verfahrensstaus und damit zu weiteren Verzögerungen bei der Modernisierung der Schweizer Mobilfunknetze führen, entgegen dem Willen des Parlaments.
Fazit: Der jüngste Bundesgerichtsentscheid hat zur Folge, dass bei den Mobilfunkbetreibern und bei den zuständigen Bewilligungsbehörden ein grosser administrativer Mehraufwand entsteht. Schlimmstenfalls sind tausende Mobilfunkstandorte davon betroffen. Dies zusätzlich zu den vielen Mobilfunkanlagen, welche bereits heute in Verfahren blockiert sind. Damit wird eine kundengerechte Mobilfunkversorgung mit einer effizienten und zeitgemässen Technologie in der Schweiz weiter stark verzögert.
Infobox: Was ist der Korrekturfaktor?
Adaptive Antennen übertragen Signale zielgerichtet zu aktiven Endgeräten wie Smartphones oder Notebooks. In andere Richtungen wird kaum Strahlung abgegeben, was die Gesamtimmissionen deutlich reduziert. Weil die Bewertungsmethoden das nicht berücksichtigt, schafft ein Korrekturfaktor eine Gleichbehandlung mit den konventionellen Antennen. Der Korrekturfaktor erlaubt adaptiven Antennen, über kurze Zeit mehr als die für die Berechnung verwendete Sendeleistung abzustrahlen. Dies kommt in der Praxis faktisch nicht vor. Und falls doch, dann wäre dies nur während einer kurzen Zeit möglich, da adaptive Antennen mit einer automatischen Leistungsbegrenzung ausgestattet werden müssen. Diese sorgt dafür, dass auch im Worst-Case die für die Berechnung verwendete Sendeleistung gemittelt über eine Zeitspanne von 6 Minuten nicht überschritten wird. Diese technische Massnahme ist die Voraussetzung für die Anwendung des Korrekturfaktors.
Quellen: Bundesamt für Umwelt und Swisscom