Erfolgreiches Schweizer Modell: Effizienter Netzausbau dank partnerschaftlicher Aufgabenteilung
Über den Autor
Dr. Stephan Netzle ist Mitbegründer und Partner der Anwaltskanzlei TIMES Attorneys und eine erfahrene Führungskraft. Von 2017 bis 2020 präsidierte er die Eidgenössische Kommunikationskommission ComCom und zeigte sich in dieser Funktion für die Regulierung der Nutzung des Funkfrequenzspektrums in der Schweiz verantwortlich. In früheren Positionen war Netzle unter anderem Richter am Internationalen Sportgerichtshof und Vize-Präsident von Swiss Olympic.
In der Vergangenheit konnten in der Schweiz Mobilfunknetze stets effizient und mit einer hohen Qualität ausgebaut werden. Im Vergleich zu anderen Ländern gelang dies sogar ohne staatliche Investitionen. Das Schweizer Erfolgsmodell besteht auch im Mobilfunk aus einem pragmatischen, wettbewerbsfördernden Ansatz und einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden sowie zwischen Behörden und der Privatwirtschaft. Der moderne und zuverlässige Mobilfunk in der Schweiz ist allerdings in Gefahr. Das erfolgreiche und etablierte Schweizer Modell wird angegriffen und die Netzmodernisierung ausgebremst.
Das Schweizer Fernmeldegesetz verlangt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hochstehende und konkurrenzfähige Dienste angeboten werden. Die Schweiz wählte hierzu, wie in vielen anderen Bereichen, einen pragmatischen Ansatz aus staatlicher Lenkung und Kontrolle sowie einer privatwirtschaftlichen Umsetzung, die den Wettbewerb fördert.
Das Schweizer Modell basiert auf dem Wettbewerb zwischen mehreren Betreiberinnen. Die Mobilfunkanbieterinnen haben Konzessionen ersteigert, die mit Auflagen hinsichtlich der zu erreichenden Versorgung versehen sind. Zudem setzt der Bund klare rechtliche Vorgaben zu Strahlen- und Landschaftsschutz. Die Umsetzung der Vorgaben (Bewilligung von Baugesuchen) kann durch das föderalistische System rasch und einfach erfolgen. Innerhalb dieser Leitplanken erbringen die Netzbetreiberinnen in einer Wettbewerbssituation flächendeckende und preislich attraktive (Infrastruktur-)Angebote. Das funktioniert: Einerseits konnten die Mobilfunkanbieterinnen ihre Netze zügig ausbauen. Andererseits erhielten die Schweizer Netze in internationalen Vergleichen immer wieder Bestnoten für den hohen Abdeckungsgrad und die gute Qualität der Dienste.
Nachholbedarf in Deutschland
Wie erfolgreich das Schweizer Modell ist, zeigt auch ein Vergleich mit unserem nördlichen Nachbar. Ende Mai musste die EU-Wettbewerbsbehörde ein Hilfspaket im Umfang von 2.1 Milliarden Euro für ein besseres Mobilfunknetz in Deutschland genehmigen. Damit wird das Netz mit staatlichen Mitteln dort ausgebaut, «wo kein Privatanbieter auf absehbare Zeit selbst aktiv werden würde». Heute sind immer noch 3.5 % der Fläche Deutschlands nicht mit 4G abgedeckt. Dazu kommen «graue Flecken», d. h. Orte, wo nur ein einziger Anbieter Abdeckung anbietet. Die Anbieter sprechen selbst von 2’400 grauen Flecken in Deutschland.
Solche staatlichen Finanzspritzen braucht das Schweizer Erfolgsmodell nicht. Die drei Anbieterinnen investieren stark in den Mobilnetzausbau und gewährleisten so eine flächendeckende und leistungsfähige Mobilfunkversorgung – und dies, obwohl die Strahlenschutz-Grenzwerte in der Schweiz bis zu 10-mal strenger sind als in Deutschland.
Erfolgsmodell Schweiz unter Beschuss
Das Schweizer Erfolgsmodell wird heute aber angegriffen. Mit der Modernisierung der Netze auf den 5G-Standard kamen erstmals sogenannte adaptive Antennen breit zum Einsatz. Diese strahlen neu nicht mehr permanent und flächendeckend, sondern primär dorthin, wo ein Signal benötigt wird. Das reduziert die Exposition für Nichtnutzer und ist energieeffizient. Wegen der flexiblen Funktionsweise der neuen Antennentypen mussten die Berechnungsgrundlagen für Strahlungsgrenzwerte angepasst werden. Die entsprechenden Vollzugshilfen für die kantonalen Bewilligungsverfahren hat das zuständige Bundesamt für Umwelt (BAFU) erarbeitet.
Die Konzessionen für das 5G-Netz wurden im Auftrag des Bundesrates von der ComCom bereits Anfang 2019 vergeben. Allerdings liess sich das BAFU ganze zwei Jahre Zeit bis zur Veröffentlichung der Vollzugshilfen im Februar 2021. Die gesetzlichen Grundlagen für eine speditive Bewilligung der schon lange hängigen Gesuche liegen nun schon seit geraumer Zeit vor. Trotzdem werden die Gesuche nur zögerlich bearbeitet. Das ist schwer verständlich: Die Nachfrage nach 5G Endgeräten in der Schweiz ist sehr gross, was die Verkaufszahlen belegen. Das Datenvolumen auf den schweizerischen Mobilfunknetzen nimmt weiterhin exponentiell zu. Unterschriftensammlungen für Volksinitiativen, die den Ausbau von 5G stoppen sollen, stossen auf geringes Echo und sind zum Teil sogar eingestellt worden.
Spürbare Konsequenzen für Konsumentinnen und Konsumenten
Die anhaltenden Verzögerungen und Blockaden von Antennen-Bewilligungsgesuchen auf Stufe Kantone und Gemeinden führen zu unnötigem Mehraufwand und Kosten, Netzüberlastungen sowie Datenstaus. Zu spüren bekommen das Konsumentinnen und Konsumenten, wenn sie die mittlerweile unverzichtbaren Kommunikationsmöglichkeiten bald nicht mehr wie gewohnt nutzen können. 5G braucht es nicht nur, um neue Anwendungen zu erschliessen, sondern auch dafür, dass die Performance bei wachsender Netznutzung auf dem gewohnt hohen Niveau bleibt.
Während sich in der Chefetage des zuständigen Departements (UVEK) wie auch beim gesamten Bundesrat die Überzeugung durchgesetzt hat, dass es sich bei der Mobilfunktechnologie um eine Schlüsseltechnologie handelt, die der ganzen Gesellschaft, der Umwelt und der Wirtschaft nützt, scheint es auf der Vollzugsebene noch vielerorts zu harzen. Es wäre am Bundesamt für Umwelt, gegenüber den Bewilligungsbehörden ausreichend Klarheit zu schaffen. Die unverständliche Zurückhaltung wirft Sand ins Getriebe der bewährten und etablierten Zusammenarbeit und Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und Mobilnetzbetreiberinnen.
Es ist an der Zeit, sich wieder auf die Erfolgsfaktoren für die Telekommunikation in unserem Land zu besinnen und sich mit klaren Vorgaben sowie angemessenen Rahmenbedingungen für eine zügige Modernisierung des Mobilfunks einzusetzen.
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