5G polarisiert – wird aber von Links bis Rechts unterstützt. Warum?
Die Diskussion politischer Themen verläuft oft in einem Links-Rechts-Schema. Nicht so bei 5G: Der neue Mobilfunkstandard wird zwar emotional diskutiert, findet jedoch Befürworter und Gegner auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Die CHANCE5G-Botschafter Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP/TG) und Nationalrat Thomas Hurter (SVP/SH) erklären, warum sie sich für 5G einsetzen.
Die GFS-Umfrage zu 5G hat festgehalten, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer 5G befürwortet. Wie beurteilen Sie die politische Situation?
Graf-Litscher: Die Umfrage hat mich nicht überrascht. 5G ist für den Service public und eine zukunftstaugliche digitale Infrastruktur ein wichtiges Element. Wenn wir heute nicht investieren, ist die Schweiz morgen international abgehängt. Es braucht trotzdem noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung, weil aus ihrer Sicht heute noch alles recht gut funktioniert. Technologische Entwicklungen haben schon immer polarisiert. Die einen stehen voll dahinter und die andern sehen den Nutzen noch nicht oder haben gesundheitliche Bedenken. Ich möchte zur sachlichen Diskussion beitragen und aufzeigen, welche Vorteile 5G bringt und wie der Gesundheitsschutz gewährleistet wird. Vielen sind die zahlreichen Vorteile von 5G unbekannt, zum Beispiel, dass Datenmengen mit weniger Strahlungsenergie verschickt werden.
Hurter: Das ist auch die Herausforderung in den Diskussionen mit der SVP-Basis. Der unmittelbare Nutzen ist noch zu wenig erkennbar, der Mobilfunk funktioniert zurzeit ja bestens. Ich versuche aufzuzeigen, dass es mit dem 5G-Ausbau auch darum geht, den Status quo der heute stabilen Mobilfunkversorgung zu gewährleisten. Mobilfunk ist genau wie die Stromversorgung eine kritische Infrastruktur. Die jüngste nationale Risikoanalyse des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz BABS hat einen Ausfall des Mobilfunks als drittgrösste Gefährdung für die Schweiz identifiziert. Gleichzeitig verdoppelt sich das Datenvolumen alle 18 Monate. Wir können nicht abwarten und schauen, was passiert, wenn wir auf einmal Datenstaus im Mobilfunk haben.
Welche Vorteile von 5G stossen auf den meisten Zuspruch und welche gehen in den Diskussionen vergessen?
Hurter: Bei der Automatisierung des Verkehrs sehe ich ein grosses Potenzial. Eine zuverlässige Echtzeitkommunikation zwischen den Fahrzeugen kann Staus vermindern, CO2-Ausstoss reduzieren und die Sicherheit erhöhen. Auch kann zum Beispiel der Suchverkehr für Parkplätze in Städten reduziert werden, wenn Daten zu freien Parkplätzen verknüpft werden.
Graf-Litscher: Mir ist es ein wichtiges Anliegen aufzuzeigen, dass Mobilfunk zum Service Public gehört. Der Zugang zu stabilem und schnellem Internet ist ein Beitrag an die Chancengerechtigkeit – sowohl für die Menschen wie auch für die Regionen. Hierfür braucht es wie überall eine rechtzeitige Infrastrukturplanung und -realisierung, um diesen Zugang auch in Zukunft für alle Menschen in der Schweiz sicherzustellen. In der Mobilität planen und realisieren wir auch langfristig und kombinierend zwischen Schienen und Strassen. Für die Internetabdeckung sollte mit Glasfaser und 5G dasselbe gelten.
Warum ist es wichtig, dass wir mit dem 5G-Ausbau vorwärtskommen?
Graf-Litscher: Wir sollten uns chancen- und nicht angstgetrieben verhalten. Im 19. Jahrhundert wurden unsere Bahnhöfe aus Angst vor den Dampflokomotiven oftmals ausserhalb der Städte gebaut. Heute würde man das vielerorts anders planen. Wenn wir die innovative Kraft unseres Landes bestmöglich nutzen möchten, dann brauchen wir 5G. Uns stehen im Bereich Umwelt, Klima oder Gesundheit grosse Herausforderungen bevor und 5G kann einen wertvollen Beitrag leisten. Zum Beispiel in der Landwirtschaft durch die Reduktion von Pestiziden dank Daten und Sensoren oder im Gesundheitswesen mit Telemedizin und verbessertem Datenaustausch. Das ermöglicht länger zu Hause zu bleiben und erhöht die Patientensicherheit.
Hurter: Stillstand ist bekanntlich Rückschritt. Wir müssen als Land wettbewerbsfähig bleiben. Hierzu braucht es überall bessere, effizientere und somit digitale Lösungen. Auch in der Industrie, dem Bau, in der Mobilität oder der Energiegewinnung. Mobilfunk mit 5G ist überall die Grundvoraussetzung für diese besseren Lösungen. Es überrascht darum nicht, dass so viele verschiedene Branchenverbände CHANCE5G unterstützen. Schliesslich sind sie alle auf den Mobilfunk angewiesen.
Trotzdem wird der 5G-Ausbau ausgebremst. Wo klemmt es politisch und was sollte gemacht werden?
Graf-Litscher: Wissenschaftlich spricht nichts gegen 5G. Das hat auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga jüngst unterstrichen. Aber wir müssen weiteres Vertrauen schaffen und die Menschen aufklären. Ich habe darum in der Wintersession nachgefragt, wo der Bundesrat mit seinen Plänen zur Informations- und Sensibilisierungskampagne zu 5G steht, die er im April angekündigt hatte. Aber nicht nur der Bundesrat, sondern auch wir Parlamentarier stehen in der Verantwortung. Darum ist das Projekt CHANCE5G wichtig. Es braucht den Dialog.
Hurter: Es gilt die Bevölkerung aufzuklären, die Ängste sind unbegründet. Die Faktenlage ist klar. Die WHO und die überwiegende Mehrheit seriöser und anerkannter Wissenschaftler bestätigen, dass 5G sicher ist. Aber es braucht auch die Umsetzung bestehenden Rechts: Es gilt für neue 5G-Antennen oder für das Aufrüsten bestehender Antennen die gleiche Handhabung und rechtliche Grundlage wie bei 4G. Schliesslich gelten auch die gleichen Grenzwerte. Dass sich dennoch einzelne Kantone geltendem Recht widersetzen oder Gemeinden Bewilligungsverfahren aufschieben ist nicht akzeptabel.
Wann werden wir in der Schweiz ein flächendeckend und qualitativ hochwertiges 5G-Netz haben?
Hurter: Es gilt vorerst, das steigende Datenwachstum zu bewältigen und die entsprechenden Bandbreiten zur Verfügung zu stellen. Das schaffen wir nur mit einer intelligenten Kombination von Glasfaser und Mobilfunk. Eine Prognose zum flächendeckenden 5G-Netz, das für viele Anwendungen und auch im Katastrophenschutz oder Rettungswesen wichtig sein wird, ist schwierig, sollte aber angestrebt werden, um auch international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Graf-Litscher: Das hängt davon ab, ob es uns gelingt, die Fakten zu den Menschen zu bringen. Ich höre manchmal, dass wir doch einfach alles mit Glasfaser erschliessen sollten oder Bedenken, dass nur noch in Mobilfunk investiert wird. Das greift aber viel zu kurz und verkennt die Realität. Es geht nicht um Glasfaser oder Mobilfunk. Es braucht beides. Jedes am passenden Ort.
Weiterführende Informationen:
- Hochbreitband-Abdeckung: Schweiz europaweit an der Spitze
- Vorstoss «5G Begleitmassnahmen: Information und Sensibilisierung der Bevölkerung» von Nationalrätin Edith Graf-Litscher