Nationalrätin Katja Christ im Interview zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz dank 5G
Die Basler glp-Nationalrätin Katja Christ stellte dem Bundesrat in einem parlamentarischen Vorstoss Fragen zur Bedeutung von 5G bei Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Digitalisierung. Im Interview spricht sie über unterschätzte Möglichkeiten von 5G, Fake News und die Schweizer Sonderlösung bei den Strahlenschutz-Grenzwerten.
Frau Nationalrätin, 5G wird oftmals mit höheren Internetgeschwindigkeiten für Smartphones in Verbindung gesetzt. Mit Ihrem Vorstoss bringen Sie bisher wenig beachtete Möglichkeiten der 5G-Technologie aufs politische Parket. Was bewegte Sie dazu?
Die Digitalisierung bringt viele Chancen mit sich. Wir müssen breit denken, um diese bestmöglich zu nutzen. Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Tierwohl sind Themen, die mir persönlich wichtig sind. Wenn neue Technologien für Verbesserungen in diesen Bereichen genutzt werden können, sollten wir dies unbedingt tun. Es ist Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu setzen, die bestmöglich zum Vorteil der Bevölkerung beitragen. Deshalb setze ich mich für eine fortschrittliche Schweiz mit einer modernen Basisinfrastruktur ein – dazu gehört in Zukunft ein flächendeckendes 5G-Netz.
Dass gerade eine traditionelle Branche wie die Landwirtschaft stark von der Digitalisierung und von 5G profitieren kann, überrascht auf den ersten Blick. Wo sehen Sie das grösste Potenzial?
Die Schweiz ist ein flächenmässig kleines, gebirgiges Land mit hohen Bodenpreisen und hohen Lohnkosten. Das sind nicht ideale Voraussetzungen, um Landwirtschaft zu betreiben. Gleichzeitig sind wir aber ein technologisch hoch entwickeltes Land. Das erlaubt der Landwirtschaft, mit modernen Maschinen und Automatisierung sehr effizient und nachhaltig zu produzieren. Die 5G-Technologie wird hier neue Möglichkeiten eröffnen, die Landwirtschaft stärken und die Umwelt schonen: Pestizide müssen nicht mehr flächendeckend, sondern können dank vernetzten Bodensensoren reduziert und gezielt eingesetzt werden. Selbstfahrende Maschinen, Fahrzeuge oder Drohnen entlasten Landwirte. Und mit automatisierten Produktionshallen wird sogar eine ökonomische und ökologische Lebensmittelproduktion in Städten möglich. Das sichert die Lebensmittelversorgung und verkürzt Transportwege – erste solche Projekte laufen bereits.
Sowohl zum Klimawandel als auch zu 5G sind viele Falschinformationen im Umlauf. Die Menschen wissen nicht mehr, was und wem sie glauben sollen. Wird diese Herausforderung in der Politik thematisiert und inwiefern wird dem entgegengewirkt?
Im Moment beobachten wir tatsächlich weltweit sehr viele Falschinformationen, die häufig gezielt verbreitet werden und über Social Media eine hohe Reichweite erhalten. Ich vertraue aber auf den gesunden Menschenverstand der Schweizerinnen und Schweizer. Wir haben in unserem Land ein hohes Bildungsniveau und das Thema Medienkompetenz erhält in den Lehrplänen einen höheren Stellenwert. Zudem sind durch die öffentliche Medienförderung neutrale und geprüfte Informationen für die Bevölkerung frei zugänglich. Die lange Diskurstradition der Schweiz fördert einen fundierten Austausch. Ob weitere Massnahmen notwendig sind, lässt der Bundesrat zurzeit vom Bundesamt für Kommunikation prüfen. Das BAKOM prüft bis im Frühjahr 2021, ob in der Schweiz ein Regulierungsbedarf zu Desinformation notwendig ist.
Sie kritisieren in Ihrem Vorstoss, dass die Schweiz strengere Grenzwerte hat als das umliegende Ausland. Und dass dadurch mehr Antennen gebaut werden müssen, als wenn die gleichen Limiten gelten würden, die unter anderem die WHO vorschreibt. Das sei nicht nachhaltig. Was antworten Sie Bürgerinnen und Bürgern, die Bedenken vor höheren Grenzwerten haben?
Ich nehme die Ängste der Bevölkerung sehr ernst. Wir müssen aber auch bei den Fakten bleiben: Bis heute wurden in über 40 Jahren Forschung keine seriösen Belege für eine Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk gefunden. Anderslautende Publikationen erfüllen wissenschaftliche Standards häufig nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die internationale Strahlenschutzorganisation ICNIRP bestätigen, dass durch Funkstrahlung unterhalb der von diesen Organisationen empfohlenen Grenzwerten keine Effekte auf die Gesundheit bekannt sind. Wir können die Risiken von Mobilfunkstrahlung deshalb sehr gut einschätzen. Dennoch hält die Schweiz an bis zu 10-Mal strengeren Grenzwerten fest. Das bremst die technologische Entwicklung aus, ist nicht nachhaltig und führt zu mehr Antennen als notwendig – genau das, was die Bevölkerung nicht will.
Und zum Schluss: Wird Ihr nächstes Mobiltelefon ein 5G-Gerät sein?
Ich bin kein «early adopter» und bin mir auch bewusst, dass die Vorteile der 5G-Technologie vor allem in der Industrie, der Landwirtschaft, der Mobilität und im Sicherheitsbereich sichtbar sein werden. Trotzdem ist 5G auch für Handynutzer wichtig, weil wir als Gesellschaft stetig mehr mobile Daten nutzen und die heutigen Mobilfunknetze an ihre Grenzen stossen. Und wer nervt sich unterwegs nicht auch über Funklöcher und langsame Handy-Verbindungen? Mit 5G werden wir die steigenden Anforderungen auch in Zukunft zuverlässig erfüllen können. Ich behalte meine Geräte aber aus Nachhaltigkeitsaspekten so lange wie möglich. Wenn ich mein Handy in einigen Jahren ersetze, wird 5G hoffentlich völlig normal sein. Deshalb ist die Antwort auf die Frage voraussichtlich: Ja.