Damit Züge fahren, braucht es Schienen, Strom und einen hochverfügbaren Bahnfunk
Interview mit Peter Kummer
Mitglied der Konzernleitung SBB und Leiter Infrastruktur
Bahnen in Europa betreiben ein eigenes Funknetz. Die bisherige Bahnfunk-Technologie basiert auf 2G und erreicht Mitte der 30er Jahre das Ende ihrer Lebensdauer. Damit die Züge weiterhin grenzüberschreitend verkehren können, ersetzt die SBB im Auftrag des Bundes die Technologie durch den neuen europäischen Standard Future Railway Communication Systems (FRMCS), welcher auf 5G basiert.
Im Interview mit Peter Kummer erfahren Sie, was sich die SBB davon verspricht und wie Bahnkundinnen und Bahnkunden davon profitieren.
Weshalb modernisiert die SBB ihren Bahnfunk?
In erster Linie geht es bei der Erneuerung darum, die Kontinuität des mobilen Bahnfunks sicherzustellen. Die Konnektivität unserer betriebsrelevanten Anwendungen ist neben Schienen und Strom die Voraussetzung, damit Züge heutzutage überhaupt fahren und die Sicherheit im Bahnverkehr garantiert werden kann.
Mit der Erneuerung des Bahnfunks auf 5G wird die Konnektivität verbessert. Das ermöglicht neue Anwendungen für die Bahnsteuerung sowie für Dienste zur Optimierung des Bahnbetriebs. Das sind zentrale Elemente für die Digitalisierung der Bahn.
Eine bessere, respektive leistungsfähigere Konnektivität hat zudem auch einen grossen Einfluss auf die Mobilität der Zukunft. Zum einen wollen und müssen wir unseren Anteil am Modalsplit kontinuierlich ausbauen, um dem erwarteten Verkehrswachstum gerecht zu werden. Zum anderen erzielen wir damit in Zukunft weitere Fortschritte bezüglich Klimaeffizienz und leisten so einen Beitrag an die Schweizer Klimaziele.
Wie wird der Bahnfunk der SBB modernisiert?
Der Bahnfunk wird mit dem Future Railway Communication System (FRMCS) modernisiert. Dies ist der europäische Bahnfunkstandard, welcher auf 5G basiert. Der schweizweite Ersatz der bisherigen Bahnfunk-Technologie Global System of Mobile Communication Rail (GSM-R) ist ein komplexes Projekt. So brauchen wir zum Beispiel bis zur vollständigen Inbetriebnahme von FRMCS einen mehrjährigen Parallelbetrieb der beiden Netze. Wir müssen jederzeit eine hohe Verfügbarkeit des Bahnfunks für mobile bahnkritische Anwendungen sicherstellen können.
Basis für die Erneuerung ist die Funkversorgung entlang der Strecken. Um den künftigen Bahnfunk bereitstellen zu können, müssen wir einen Teil der bestehenden Antennenstandorte umbauen. Zudem wird es mehr Antennen geben als mit dem bisherigen Standard GSM-R. Dies, da die Reichweite von FRMCS aufgrund erhöhter Anforderungen und neuen Betriebsfrequenzen (1,9 GHz) geringer ist.
Im Zuge dieser Erneuerung des Bahnfunks planen wir zusätzlich mit den Mobilfunkanbietern zwischen Bern und Thun eine volkswirtschaftlich sinnvolle Zusammenarbeit. Dies für eine bedarfsgerechte öffentliche Mobilfunkversorgung entlang der Bahnstrecken. Dabei können wir benötigte Infrastrukturen und Ausrüstungen entlang des Bahnkorridors effizient einsetzen und nutzen.
Warum setzt die SBB beim Ausbau des Bahnfunks auf 5G?
Bei der Wahl der Technologie sind wir nicht frei. Damit Züge grenzüberschreitend verkehren können, setzen die europäischen Bahnen alle auf den gleichen neuen Standard FRMCS – und der basiert auf 5G.
Weshalb betreibt die SBB ein eigenes Funknetz?
Die Bahnen in der Schweiz und Europa betreiben ein privates und sicherheitsrelevantes Funknetz für die Kommunikation zwischen den Betriebszentralen, den Lokführern und Kundenbegleitenden. Dieses Funknetz ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich oder nutzbar. Dieses betriebsrelevante Bahnfunknetz ist somit nicht von den öffentlichen Netzen abhängig. Damit stellen wir sicher, dass Züge auch dann noch fahren können, wenn die öffentlichen Mobilfunknetze überlastet sind.
Aber auch der öffentliche Mobilfunk hat für die SBB und die Bahnreisenden einen hohen Stellenwert. Im Bereich von digitalen Kundenservices und der Versorgung der Bahnreisenden mit mobilem Internet setzt die SBB auf den öffentlichen Mobilfunk. Weiter funktionieren auch viele bahnunterstützende- und optimierende Dienste über den öffentlichen Mobilfunk.
Mit welchen Verbesserungen können Bahnreisende rechnen?
Sie profitieren aufgrund eines reaktionsschnellen, lückenlosen und sicheren Bahnfunks von einem dichteren Fahrplan und pünktlicheren Zügen. Zudem ist mobiles Internet für die Pendler:innen und Pendler heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Viele Kund:innen haben das Bedürfnis, «seamless» und «always-connected» zu sein. Das bedeutet, dass sie ihre Zeit im Zug nutzbar einsetzen möchten. Sie nutzen Zugfahrten vermehrt zum Arbeiten, Surfen oder Streamen. Auch bahnbetriebliche Dienste wie die Fahrplan-App, InclusiveApp, das Kundeninformationssystem oder Auslastungssteuerung benötigen eine gute Mobilfunkabdeckung.
Damit das Kundenbedürfnis auch langfristig befriedigt werden kann, ist die SBB bestrebt, auch die Mobilfunkversorgung für die Fahrgäste gemeinsam mit den Mobilfunkbetreibern zu verbessern.
Es gibt auch Bedenken bezüglich Strahlung entlang der Strecken und im Zug. Wie reagiert die SBB darauf?
Uns sind die Bedenken bekannt. Die von der SBB beantragten Antennen können das Funksignal nicht auf einzelne Empfänger ausrichten. Sie fokussieren auf den Bahnkorridor und nicht auf die Umgebung. Die Antennenstandorte werden sorgfältig evaluiert und bestmöglich ausgewählt. Dabei gilt es zu beachten: Je besser der Standort, desto weniger Antennen sind notwendig.
Die Strahlenbelastung im Zug liegt unterhalb der vom Bund definierten und kontrollierten Grenzwerte und ist vergleichbar mit der Strahlung in einer Stadt. Was ich in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen finde: Je schlechter der Empfang im Zug, desto höher die Strahlung. Klimatisierte Zugabteile sind elektromagnetisch abgeschirmt – das nennt sich ein faradayscher Käfig. Wäre ein Zug nicht mit Signalverstärkern oder Mobilfunk-durchlässigen Scheiben ausgerüstet, würde das die Strahlenbelastung erhöhen. Denn das Smartphone empfängt und sendet bei schwachem Antennensignal mit maximaler Leistung, was mit mehr Strahlung verbunden ist. Aus diesem Grund macht auch eine möglichst gute Mobilfunkabdeckung nahe an den Bahnstrecken Sinn und reduziert die Strahlenbelastung.
Wie sieht der Zeitplan aus und wann können wir mit 5G im Zug rechnen?
Das Ziel ist, bis voraussichtlich Mitte der 30er Jahre die Erneuerung des Bahnfunks schweizweit umgesetzt zu haben. Im Sommer dieses Jahres werden wir beim Bundesamt für Verkehr ein erstes sogenanntes ordentliches Plangenehmigungsverfahren für die Strecke Bern-Thun starten.
Wie bereits erwähnt, von 5G im Zug profitieren unsere Kunden:innen teilweise schon heute – dies dank des fortgeschrittenen 5G-Ausbaus der Mobilfunkbetreiber und mobilfunkdurchlässigen Scheiben. Wir verbessern zusammen mit den Mobilfunkanbietern fortlaufend die Verbindungen in und aus dem Zug und entlang der Strecken, damit wir den gestiegenen Kundenbedürfnissen gerecht werden können.