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«Die Strahlung liegt weit unterhalb der im internationalen Vergleich strengen Schweizer Grenzwerte»

24. Juni 2024

Es kursieren viele Gerüchte und Halbwahrheiten, wenn es um die Strahlung im Mobilfunk geht. CHANCE5G hat mit Jürg Eberhard, Leiter der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation, gesprochen, um mit diesen aufzuräumen. Er führt dabei aus, dass adaptive Antennen nichts neues sind, warum man sich keine Sorgen wegen Mobilfunk-Strahlungen machen muss und was derzeit der Schwerpunkt in der Forschung ist.

  • Die Strahlung des Mobilfunks wird verschiedentlich untersucht und erforscht. Was sind die neusten Erkenntnisse? 

In den letzten Jahren sind keine «bahnbrechenden» neuen Erkenntnisse gewonnen worden. Es besteht ein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber, dass die Strahlengrenzwerte vor allen nachgewiesenen, negativen gesundheitlichen Auswirkungen schützen. Das Bild bezüglich Hirntumoren hat sich verdichtet: Wir leben nun schon mehrere Jahrzehnte mit Mobilfunk und auch die neusten Analysen von nationalen Krebsregistern lassen keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Hirntumoren und der Nutzung von Mobiltelefonen erkennen. Das ist kein abschliessender Beweis, dass es keinen solchen ursächlichen Zusammenhang gibt, jedoch ein sehr starker Hinweis dafür, dass ein allfälliges gesundheitliches Risiko - wenn überhaupt - sehr gering ist.

  • Wie viele Forschungsarbeiten laufen derzeit, die sich mit dem Thema der Strahlung auseinandersetzen und wo liegt deren Fokus?

International werden laufend unzählige neue Forschungsarbeiten zu verschiedensten Aspekten der Mobilfunkstrahlung publiziert. Ein Fokus der Forschung liegt aktuell auf möglichen negativen Umweltauswirkungen von sogenannten Millimeterwellen im höheren GHz-Bereich. Der 5G Standard sieht auch die Verwendung von Frequenzen im Bereich von 24 bis 53 GHz vor, welche in der Schweiz allerdings aktuell noch nicht verwendet werden. Von Bedeutung sind zudem vier laufende grosse EU-Forschungsprogramme mit Schweizer Beteiligung. Diese Projekte laufen im Zeitraum von 2022 bis 2027 und werden mit insgesamt 30 Millionen Euro unterstützt. Ein Schwerpunkt liegt hier bei der verbesserten Erfassung und Beurteilung der persönlichen Strahlenbelastung   bei Verwendung von Mobilfunk, insbesondere 5G. Mit Spannung erwartet werden auch die Berichte der WHO. In einem gross angelegten Beurteilungsprozess werden bisherige Studien zu Mobilfunkstrahlung begutachtet mit dem Ziel, eine aktualisierte Einschätzung zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung zu erhalten.

  • In den Medien hört man immer wieder von Baugesuchen für adaptive Antennen, die in einer Region zu Kontroversen führen. Meistens geht es um die Sorge vor Strahlung. Was sagt die Forschung zu diesen adaptiven Antennen? 

Adaptive Antennen sich technisch nichts Neues und werden beispielsweise bei WLAN für die Optimierung der Datenübertragung schon lange eingesetzt, ohne dass deswegen negative gesundheitlichen Folgen beobachtet wurden. Neu wird diese Technik vermehrt bei 5G verwendet. Aus Sicht der Mobilfunkstrahlung ist der grosse Vorteil, dass adaptive Mobilfunkantennen die Funkwellen gezielt zu den Nutzern lenken, welche gerade eine Verbindung brauchen. Bei herkömmlichen Mobilfunkantennen wird im Gegensatz dazu immer der gesamte Abstrahlbereich mit gleicher Signalstärke abgedeckt, unabhängig davon, ob sich Nutzer in diesem Bereich befinden. Das heisst dank den adaptiven Antennen sind die Personen, welche keine Funkverbindung benötigen, weniger Strahlung ausgesetzt. 

  • Viele haben täglich das Smartphone dabei, das ebenfalls eine Quelle der Strahlung ist. Was gibt es hierzu für Erkenntnisse? 

Häufig geht in der öffentlichen Diskussion vergessen, dass Mobilfunk eine Zwei-Weg-Kommunikation ist. Sowohl die grossen Mobilfunkantennen wie auch die in den Mobiltelefonen verbauten miniaturisierten Antennen können Signale senden und empfangen. Dies unterscheidet sich in dieser Hinsicht von akustischen Signalen bzw. Schallwellen. Dort können die Lautsprecher nur senden und die Mikrofone nur aufnehmen. Wenn ich also beispielsweise eine WhatsApp-Nachricht von meinem Gerät versende, so werden Signale von meinem Gerät an die am günstigsten gelegene Mobilfunkantenne gesendet. Der Anteil der Strahlung, welcher auf meinen Körper trifft und vom eigenen Gerät stammt, ist normalerweise gewichtiger als jener Anteil, welcher von der Mobilfunkantenne stammt. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass sich die Mobilgeräte in der Nähe meines Körpers befinden. Jedoch geht die technische Entwicklung diesbezüglich in die richtige Richtung. Es zeigt sich ganz klar, dass die Strahlung der Mobiltelefone von 2G über 3G zu 4G dank der verbesserten Technik abgenommen hat. Was geblieben ist – und dieser Effekt wird von Laien unterschätzt – dass die benötigte Sendeleistung des eigenen Gerätes sich um Grössenordnungen verstärkt, wenn die Verbindungsqualität zur Mobilfunkantenne abnimmt.

  • Vor allem der aktuelle Mobilfunk-Standard, 5G, kommt immer wieder in Verruf. Warum?

Das ist mir aus Sicht der Strahlung letztendlich unerklärlich. Denn physikalisch werden die Mobilfunkwellen durch die Frequenz, die Stärke und die Signalform charakterisiert. Für 5G in der Schweiz sind die eingesetzten Frequenzen und Signalstärken mit den bisherigen Mobilfunkstandards vergleichbar. Was die Signalform betrifft, sind die Unterschiede von 5G gegenüber 4G gering. Bis heute gibt es auch keine ausreichenden Anzeichen dafür, dass durch die Signalform von 5G spezifisch neue gesundheitliche Gefährdungen entstehen würden. Um auf die Frage zurückzukommen: Es müssen andere Faktoren im Spiel sein, welche die Kontroverse bestimmen. Die Geschichte wiederholt sich bekanntlich immer – die Menschen sind skeptisch gegenüber Neuem. 

  • Was antworten sie einer Person, die Sorgen hat wegen der Strahlung von Mobilfunk?

Wie schon angetönt ist zwischen der Strahlung vom eigenen Gerät und jener von der Mobilfunkantenne zu unterscheiden. Beim Einsatz des eigenen Gerätes kann man die Strahlung selber beeinflussen. Wenn man unterwegs telefoniert, ist auf eine gute Verbindung zu achten. Zuhause kann man, wenn gewünscht, auf Funkdienste verzichten. Das Mobiltelefon kann anstatt über WLAN oder über Mobilfunk mit einem Kabel direkt über den Ethernet-Anschluss mit dem Internet verbunden werden. Anders ist es, wenn ich mich draussen bewege, da ich dann der Mobilfunkstrahlung in der Umgebung ausgesetzt bin. Das Monitoring-Programm des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) zeigt jedoch, dass die Strahlung in den Umgebungen, in welchen wir uns bewegen, weit unterhalb der - im internationalen Vergleich - strengen Schweizer Grenzwerte liegt. Es ist natürlich auch immer eine Frage der Perspektive. Wir können auch fasziniert auf diese technische Errungenschaft schauen, welche es uns ermöglicht, mit eigentlich sehr geringer Energiedichte, geringer als die durch eine LED-Leuchte erzeugte, riesige Datenmengen zu übertragen.

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